Margarete und Alfred Mehlhemmer
(1894-1971) (1888-1943)

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Dass Petzow der Ort ihres Schicksals wird, hatten beide nicht vermutet. Eine der er­schüttern­dsten menschlichen Tragödien auf Petzower Boden erlitt die Berliner Familie Mehlhemmer.


Am 10. Mai 1943 wird der Flugzeugingenieur Dr. Alfred Mehlhemmer durch den Gutsbesitzer Karl von Kaehne (1894-1946) im Petzower Park unter Umständen, die nie richtig geklärt wurden, erschossen.
An den Vorfall von 1943 erinnert heute ein am 2. Dezember 1986 durch die DDR-Behörden aufgestellter Gedenkstein im Park, dessen Inschrift den Betrachter politische Hintergründe für den Tod Alfred Mehlhemmers vermuten lässt:

„Hier wurde der Antifaschist Dr. A. Mehlhemmer

am 10. 5. 1943 durch den Gutsbesitzer v. Kaehne erschossen“


Foto: HV Petzow.


Kaehne und Mehlhemmer sind zwar völlig unterschiedlichen politischen Standpunkten verhaftet (Kaehne war NSDAP-Mitglied, Mehlhemmer war im Widerstand), jedoch hat der Tod Alfred Mehlhemmers keinen direkten derartigen Hintergrund, wie es die Inschrift des Gedenksteines von 1986 vermuten lässt. Vielmehr hatte Alfred Mehlhemmer beim Angeln im Haussee zufällig ein Versteck von Schwarzschlachterei entdeckt, in die offenbar von Kaehne sowie einige Polizei- und Gestapoleute aus Werder und Umgebung verwickelt waren. Mehlhemmer hatte das blutige Versteck am Haussee für den Unterschlupf eines gesuchten Gewaltverbrechers gehalten und zur Anzeige gebracht.
Bei einem nun von Polizei und Gutsbesitzer angeordneten Lokaltermin, wo er den Ort noch einmal zeigen sollte, wurde er unter bizarren Umständen durch Kaehne erschossen. Im folgenden Strafprozess sprach das Potsdamer Landgericht den Petzower Gutsbesitzer aus Mangel an Beweisen frei. Das Urteil sorgte vielerseits für Empörung und bot Anlass zu der Vermutung, dass es politisch orientiert war und der Tatbestand vertuscht werden sollte.


Heimatverein Petzow, Havel, Werder, Portrait, Zeichnung, Mehlhemmer, schwarz weiß, 1941, Fotografie Alfred Mehlhemmer, ca. 1941. Repro HV Petzow.

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Das Leben von Margarete Mehlhemmer ist von schweren Schicksalsschlägen gezeichnet.


Sie und ihr Ehemann hatten sich nach Hitlers Machtergreifung der illegalen Arbeit zugewandt und wirkten ab 1941 von Ferch aus zusammen mit anderen Gleichgesinnten in einer Widerstandsgruppe. Alfred wurde 1942 verraten und kam ins KZ. Seiner Frau gelang es jedoch, seine Freilassung nach einem Jahr zu erwirken. 1943 wurde ihr Mann Alfred im Petzower Park erschossen.


1946 erfuhr sie, dass ihr lange vermisster Sohn Hans vor Stalingrad gefallen war.


Heimatverein Petzow, Havel, Werder, Portrait, Zeichnung, Mehlhemmer, schwarz weiß, 1955, Fotografie Margarete Mehlhemmer, um 1955. Repro HV Petzow.


1945 „entschädigten“ die neuen Machthaber Margarete für ihre Widerstandsarbeit und das erlittene Leid mit einem Haus in Petzow.
Doch Anfang der 1950er Jahre wurde sie denunziert, enteignet und wegen Sabotage zur Zwangsarbeit in russischen Arbeitslagern verurteilt. 1955 kam sie zurück und zog nach Freiburg im Breisgau. Unter starken Depressionen leidend, ging Margarete Mehlhemmer 1971 in den Freitod.


Durch den Ortsbeirat und den Heimatverein Petzow e.V. wurde neben dem Gedenkstein eine Erinnerungstafel (2023) aufgestellt. Im Waschhaus, dem Petzower Heimatmuseum widmet sich eine Ausstellungstafel dem Schicksal der Familie Mehlhemmer. Der Heimatverein erinnert zudem auf einer Ausstellungstafel im Museum und in einer seiner Schriften zur Heimatgeschichte an ihr tragisches Schicksal.

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Bilder/Repros (2) aus: Margarete Mehlhemmer: Überleben in zwei Diktaturen, hrsg. von  Friedrich-Franz Wiese.- Westkreuz-Verlag Bad Münstereifel, 2000.




 

 
 
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